Wir sind die Nacht

Mit seiner Romanverfilmung ‚Die Welle‘ feierte Regisseur Dennis Gansel vor zwei Jahren nicht seinen ersten Erfolg an den deutschen Kinokassen, hat er sich doch bereits mit ‚Napola‘ oder ‚Mädchen, Mädchen‘ im deutschsprachigen Kino bewiesen. Jetzt hat er sich mit ‚Wir sind die Nacht‘ dem Vampirhype angeschlossen und mit Karoline Herfurth (‚Vincent will Meer‘), Nina Hoss (‚Anonyma‘), Jennifer Ulrich und Max Riemelt, die bereits in ‚Die Welle‘ zu sehen waren, sowie der Frontfrau der Band ‚Panda‘ Anna Fischer (‚Groupies bleiben nicht zum Frühstück‘) einen deutschen Beitrag zum ‚Twilight‘-Fieber entwickelt. Basierend auf dem Film hat der deutsche Erfolgsautor Wolfgang Hohlbein einen gleichnamigen 608 Seiten starken Roman geschrieben, der auf der Handlung des am 28. Oktober in den deutschen Kinos startenden Filmes aufbaut und nicht wie in vielen anderen Verfilmungen die Vorlage für diesen ist.

In ‚Wir sind die Nacht‘ wird die Geschichte der 20jährigen Berlinerin Lena erzählt, die sich durch kleinere Diebstähle über Wasser hält. Beim nächtlichen Beutezug durch einen illegalen Club trifft sie auf die jahrhundertealte Louise. Die mondäne Erscheinung ist die Besitzerin des Clubs und zugleich die Anführerin eines weiblichen Vampir-Trios, dem auch die elegante Charlotte und die abgedrehte Nora angehören. Louise verliebt sich in die verwahrloste Lena und beißt sie in der ersten gemeinsamen Nacht. Fortan erfährt Lena den Fluch und Segen ihres neuen, ewigen Lebens. Sie genießt den Luxus, die Partys, die grenzenlose Freiheit, doch schon bald machen ihr der Blutdurst und die Mordlust ihrer neuen Freundinnen zu schaffen. Als sie auch noch die Berliner Polizei an die Fersen der Frau heftet und Lena ihre Gefühle für den ermittelnden Kommissar Tom Serner entdeckt, geraten die Ereignisse völlig außer Kontrolle.

Vorab sollte gesagt werden, dass ‚Wir sind die Nacht‘ kein perfekter Film ist. Es gibt Dialogzeilen und Szenen die lieber nicht ihren Weg in den Film hätten finden sollen. Aber in der deutschen Filmwelt, die hauptsächlich aus Slapstick-Komödien von Michael Herbig, Beziehungsgeschichten mit Till Schweiger oder historischen Aufarbeitungsdramen besteht, ist Gansels Werk schon ein kleiner Lichtblick. Der Regisseur zeigt das sich das Kino hierzulande nicht hinter Fantasy-Produktionen aus den USA zu verstecken braucht. Er weiß die technischen Möglichkeiten ebenso gut einzusetzen wie seine amerikanischen Kollegen. Die Handlung verfolgt einen nachvollziehbaren dramaturgischen Bogen, die Darsteller werden in vorgefertigte Rollenmuster eingebettet und düstere, melancholische Rockmusik unterstützt die atmosphärischen Kamerabilder.

Der Vergleich zu ‚Twilight‘ drängt sich geradezu auf. Auch wenn hier der alles entscheidende Biss nicht bis zum Erbrechen ausgereizt wird und bereits zu Beginn den Anstoß zur eigentlichen Handlung gibt. Karoline Herfurth darf dann wieder in ihre Paraderolle als abgefuckter Teenager schlüpfen, scheint diesen Charakter in ‚Wir sind die Nacht‘ zur überspitzten Perfektion bringen zu wollen. Bereits ohne Berührung mit den übernatürlichen Kräften, begeht sie Diebstähle an Mädchenhändlern, verteilt Kopfnüsse an Polizisten und scheint als Rollentypus das abgewrackteste Ghetto-Mädchen Berlins auferlegt bekommen zu haben. Neben der mit dem Regisseur liierten Jennifer Ulrich als Charlotte, einer ehemaligen Stummfilmdarstellerin die der Melancholie verfallen ist und Anna Fischer als Nora, die wiederum skurril abgedreht spielt und an die Figur der Harley Quinn aus dem Batman Universum erinnert, verblasst Schauspielerin Nina Hoss als Louise leider, die mit der Darstellung der wohl farblosesten und langweiligsten Figur im Film beauftragt wurde.

Bekommt Louise als Mutter der Vampire dann aber immerhin eine Daseinsberechtigung, ist diese bei Max Riemelts Kommissar Serner doch eher fragwürdig. Er verliebt sich in einen heruntergekommenen Junkie, benutzt das Polizeiregister als Facebook um Lena ausfindig zu machen um ihr dann, statt sie festzunehmen, weil sie eigentlich wegen Diebstahl und Einbruch in 18monatiger Haft sitzen müsste, ein nettes Geschenk, in bunten Papier eingepackt, zu machen. Die Liebesgeschichte zwischen Lena und ihm wirkt ein wenig in die eigentliche Handlung hinein konstruiert, man hätte auf diese auch verzichten können um den Fokus auf andere Dinge zu legen, die dem Film definitiv gefehlt haben, wie zum Beispiel das Eintauchen in die Vergangenheit der vier Hauptprotagonistinnen. Hierfür wird insgesamt nur sehr wenig Leinwandzeit geopfert, scheint man sich hier auf die stereotype Darstellung der Charaktere verlassen zu haben, die eigentlich eine klar vorstellbare Vergangenheit suggerieren.

Mit den Effekten wird derweil hübsch gespielt. Die übersinnlichen Fähigkeiten des Vampir-Quartetts erstrecken sich von an den Wänden laufen, Zigaretten im Auge ausdrücken mit zu mancher Blutorgie. Der Begriff ‚Vampir‘ fällt im Film derweil nicht ein einziges Mal. Auch der Stimmungsumschwung wird, wenn auch recht plakativ, gut in Szene gesetzt. Zuerst ist es natürlich schön ein Wesen der Nacht zu sein, aber schon bald wird deutlich, dass hierfür Opfer gebracht werden müssen. Sei es die Liebe zu einem Menschen, die Angst davor einem Menschen weh zu tun oder die Qual der ewigen Jugend, während Freunde und Familie altern. Gansel hat jeder seiner Figuren eine Leidensgeschichte verpasst.

Nach den vielen Schnulzeinlagen von Autorin Stephanie Meyer ist ‚Wir sind die Nacht‘ mal wieder ein wertvoller Beitrag im Vampir-Genre. Der Film hält sich nie zu lange in einer Szene auf, vermeidet es langweilige Momente zu erzeugen. Regisseur Dennis Gansel hält die Qualität die er mit ‚Die Welle‘ vorgelegt hat, mischt diese hier mit einer Prise Hollywood-Popcorn-Feeling. Nach Übersee könnte der deutsche Regisseur auch bald verschwinden, wenn er weiterhin unterhaltsame Filme dieser Art abliefert.

Denis Sasse

1 Kommentar

  1. […] Wie sein Film ‘Wir sind die Nacht’, der am 28. Oktober in den deutschen Kinos startet, im Direktvergleich mit ‘Twilight’ abschneidet, dass erfahrt ihr ab sofort hier auf filmtogo. […]


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